Rückblick
16. STFI-Kolloquium „recycling for textiles“
Am 6. und 7. Dezember 2023 fand das 16. Kolloquium „recycling for textiles“ in Chemnitz statt. 70 Fachleute aus dem Bereich des Textilrecyclings, des Textilmaschinenbaus sowie der Textilproduktion tauschten sich über die neuesten Entwicklungen, Trends und Innovationen der Branche aus.
Eröffnet wurde die Tagung durch Grußworte von Dr. Heike Illing-Günther, Geschäftsführender Direktor des Sächsischen Textilforschungsinstitutes e.V., welche auf die Historie des seit 30 Jahren stattfindenden Kolloquiums einging. Unter Moderation von Johannes Leis startete der erste Tag mit dem Plenarvortrag von Dr. Beate Kummer von Kummer:Umweltkommunikation GmbH. Sie referierte zum Thema der Entwicklungen im Europäischen Chemikalienrecht und deren Auswirkungen auf den Textil- und Recyclingsektor. Dabei konzentrierte sie sich auf den Green Deal der EU und die Chemikalienstrategie ab 2020 und ging zudem auch auf die EU-Textilstrategie sowie das Lieferkettengesetz ein. Zum einen sollen die Belastung durch Chemikalien in Produkten in der EU minimiert und ungiftige Materialkreisläufe gefördert werden. Zum anderen soll durch höhere Recyclingraten und ungiftige Materialkreisläufe die Umwandlung der EU in eine ressourceneffiziente, grüne und wettbewerbsfähige Wirtschaft mit geringem Kohlenstoffausstoß erreicht werden. Es wurde klar, dass für das Erreichen dieser Ziele noch einige praktische Herausforderungen zu bewältigen sind, welche sowohl in regulatorischer und administrativer Hinsicht bestehen, als auch im Bereich der Digitalisierung sowie der Gestaltung von Produktionsketten und der Sammlung und Sortierung von Abfällen. Beispielsweise sollte das Ziel schadstofffreier Stoffkreisläufe nicht dazu führen, dass viele Sekundärmaterialien aufgrund fehlender Informationen über die stoffliche Zusammensetzung nicht auf den Rohstoffmarkt gelangen.
Qualitätsgesicherte Materialkreisläufe
Der erste Tag des Kolloquiums stand nach diesem Auftakt sehr im Zeichen aktuellster Entwicklungen im Bereich des Recyclings von Polyester. Obwohl in den konstruktiven Diskussionen durchaus die Frage aufgeworfen wurde, inwieweit die Branche neue Materialien benötigt und zukünftig der Ressourcenverbrauch reduziert werden kann, bleibt das Recycling von Polyester als den mit Abstand am häufigsten eingesetzten Faserstoff der Welt elementar. Hierzu gab es aus diesem Grund auch gleich mehrere Beiträge, welche die verschiedenen potenziellen Recyclingwege darlegten. Die Bedeutung der Entwicklung eines Stoffkreislaufsystems, in dem die Materialien den Weg zu der jeweils vorteilhaftesten Recyclingtechnologie finden, wurde dabei unisono betont. Die Etablierung einer funktionierenden Herstellerverantwortung würde dem Sekundärrohstoffmarkt dazu sicherlich Auftrieb verleihen.
In Ihren Vorträgen zur patentierten revolPET®-Technologie zum solvolytischen Recycling von Polyesterverpackungen oder -textilien legten sowohl Prof. Dr. Stephan Scholl von dem Institut für Chemische und Thermische Verfahrenstechnik der TU Braunschweig, als auch Carsten Eichert von der RITTEC 8.0 Umwelttechnik GmbH die Möglichkeiten zur Rückgewinnung der Monomere zur erneuten Synthese von Polyester aus Abfällen dar. In den nächsten Jahren gilt es, durch Steigerung des Technology Readiness Levels (gegenwärtig TRL4) sowie der Optimierung der vorhandenen Logistik und Infrastruktur, die Voraussetzungen zu schaffen, um diesen Prozess auf industriellem Maßstab verfügbar zu machen. Ebenfalls betonten sie jedoch, dass mitnichten auf das mechanische Recycling verzichtet werden sollte, stellt es doch den direktesten Weg der Materialaufbereitung dar. Vielmehr sollte es zukünftig um Kooperationen gehen und darum, den optimalen Aufbereitungsweg für jedes Material zu finden.
Diese Meinung unterstrich auch Dr. Wolfgang Hermann, welcher die Aktivitäten der EREMA Group GmbH rund um das thermomechanische Recycling von Polyester vorstellte. In verschiedenen Anlagenkonzepte können so aus Faserabfällen wieder spinnfähige Granulate produziert werden. Die Konfigurationen beinhalten einen Reaktor zur Nachpolymerisation, um im Nachgang rPET-Fasermaterialien in einer Feinheit von ≥ 2 dtex zu spinnen. Ein Spinnölgehalt von ≤ 2 % sowie ein Feuchtigkeitsgehalt von ≤ 10 % sind zu erreichen und weitere Verunreinigungen können separiert werden. In der gruppeneigenen Demonstrationsanlage ist bei einem Durchsatz von 350 kg/h ein industrienaher Versuch möglich. Die entwickelten Anlagenkonzepte sind sogar mit Durchsätzen von 450 kg/h, 900 kg/h sowie 1.350 kg/h erhältlich. Während der Fokus derzeit noch auf dem PET-Faserrecycling liegt, ist geplant in der nächsten Projektphase das Recycling von Mischfasermaterialien aus der klassischen Textilsammlung voranzutreiben.
Dieser Ansatz wird auch bei Re-Fresh Global verfolgt, allerdings konzentriert man sich hier auf die Cellulosehaltigen Materialien für die chemische Aufbereitung zu Nanocellulose und Ethanol, welche unter den Markennamen Re-Nano und Re-Thanol vertrieben werden sollen. Allerdings ist es auch Teil der Philosophie des Unternehmens, die Thematik der Mischtextilien ganzheitlich anzugehen und die Reststoffe der eigenen chemischen Recyclingprozesse nicht etwa thermisch, sondern weiter stofflich zu nutzen. Im Zuge dessen kooperiert Re-Fresh Global mit dem Sächsischen Textilforschungsinstitut e.V. und Johannes Leis berichtete von bisherigen gemeinsamen Arbeiten. Aus den Restfraktionen der chemischen Prozesse sollen Vliesstoffprodukte entwickelt werden, welche dann in die Automotive Industrie und in den Markt der akustisch wirksamen Textilien, z. B. Telefonkabinen für Großraumbüros, gehen sollen.
Den Abschluss des „Blocks“ der Recyclingtechnologien machten Thomas Schrinner von der TBP Future GmbH sowie Magdalena Kohler von der Universität der Künste in Berlin in Form von etwas kürzeren Impulsvorträgen. Bei Thomas Schrinner ging es um die aus dem Papierrecycling stammende Technologie der Trockenzerfaserung, welche bisher zur Öffnung von Spezialpapieren eingesetzt wurde. Diese können nicht oder nur sehr aufwendig über den klassischen Nassprozess zu Einzelfasern aufbereitet werden. Nach ersten Versuchen zur Nutzung der Technologie zur Öffnung von T-Shirts gilt es nun die Eignung von Materialströmen zu prüfen, welche sich im klassischen mechanischen Textilrecycling, bestehend aus Schneiden und Reißen, nicht zu Einzelfasern aufbereiten lassen. Das könnten z. B. Spunlace-Vliesstoffe sein. Magdalena Kohler untersucht im Zuge ihrer Dissertation die Entwicklung eines kreislauffähigen Recyclingverfahrens für Wollmischfasern. Neben der Verfügbarkeit von Wolle im Post-Consumer-Bereich und den optimalen Prozessstufen für die Aufbereitung hin zu wieder verspinnbaren Wollfasern konzentriert sie sich auch darauf, den Dialog zwischen Design und Industrie zu stärken und das gegenseitige Verständnis zu fördern.
Prüfung und Klassifizierung
Eine der größten Hemmnisse für den Einsatz von Rezyklaten ist deren Prüfung und Klassifizierung. Dieser Thematik widmeten sich gleich mehrere Beiträge. Dr. Guntram Kugler stellte die verfügbaren Lösungen zur Charakterisierung von Recyclingfasern von der Firma TEXTECHNO H. Stein GmbH & Co.KG vor. In seinem Vortrag ging er auf die Herausforderungen der Prüfung von Rezyklaten ein und gab Einblicke, wie die unternehmenseigenen Systeme angepasst und für das Textilrecycling optimiert wurden. So ist es nun möglich durch das MDTA-4 Analysegerät Restgarne und Nissen von den Reißfasern zu trennen und eine Auswertung der separierten Fraktionen vorzunehmen. Am NDTA-Modul kann zudem eine optische Analyse der jeweiligen Größenklassierung dieser separierten Fraktionen vorgenommen werden. Im gesamten FCS-System von TEXTECHNO H. Stein GmbH & Co. KG können so mittlerweile die Fraktionen von Reißfasern getrennt und ggf. nach Anteilen, Feinheit, Micronaire-Wert, Länge, Festigkeit und Farbe geprüft werden.
Am zweiten Tag des Kolloquiums „re4tex“ referierte Dr. Holger Fischer vom Faserinstitut Bremen passend dazu zur Probenentnahme, -vorbereitung und bildanalytischen Charakterisierung von Reißfasern. Er stellte das zusammen mit Kolleginnen vom STFI erarbeitete Handbuch zur Klassifizierung einer entnommenen Faserprobe und den sich daraus ableitend optimalen Vorbereitungsschritten vor. Ziel ist die schnelle und reproduzierbare Vorbereitung mit einfachen Mitteln. Der Fokus liegt dabei auf verschiedenen textilen Rezyklaten und den daraus schnell ermittelbaren Parametern. Nach Zuweisung zu einer Fallgruppe und der Abarbeitung eines Fragenkatalogs ergibt sich für jede Probe die Zuordnung zu einer adäquaten Methode der Probenvorbereitung.
Anlagenkonzepte zur Kreislaufführung von Textilien
Noch vor dem Vortrag von Dr. Holger Fischer referierte nach Eröffnung des zweiten Kolloquiumtages durch Moderator Patrick Engel, Maximilian Speiser von der AUTEFA Solutions Group zum Stand der Technik, praktischen Problemen im Textilrecycling sowie Ansätzen zu deren Lösung aus Sicht eines Maschinenbauunternehmens. Dabei griff er viele Impulse aus dem ersten Tag auf und ging insbesondere auf die Werthaltigkeit von Sekundärmaterialien ein. Diese muss durch adäquate Technologien, ein entsprechendes Geschäftsmodell und dem Bewusstsein für das zu Grunde liegende Know-how erhalten werden. Zudem betonte Maximilian Speiser die Notwendigkeit einer offenen Kommunikation zu Chancen und auch Grenzen des Textilrecyclings.
Im Anschluss sprach Stephan Baz von den Deutschen Instituten für Textil- und Faserforschung Denkendorf über die Auflösung von Reißfasern an der Karde. In dem zu Grunde liegenden noch laufenden Forschungsprojekt werden bestehende Arbeitsprinzipien verglichen und verbessert. Basis hierfür bildet eine systematische Betrachtung der Kardierprinzipien von Karde und Krempel in Kombination mit den geänderten Rohstoffeigenschaften von Primär- und recycelter Baumwolle. Ziel ist die effektive Auflösung des Materials bei Vermeidung einer weiteren Einkürzung der Fasern. In den bisherigen Ergebnissen wird klar, dass die Recyclingfasern einen schonenden Auflösungsprozess erfordern. Im Vergleich zur Primärbaumwolle bedarf dieser Prozess eine weniger intensive Reinigung, da nahezu keine Verschmutzungen wie in der Primärbaumwolle vorhanden sind. Konkret betrifft dies die Messereinstellung der Karde. Der Schlüssel könnte eine Kombination der Arbeitselemente von Karde und Krempel sein, welche nun im weiteren Projektverlauf untersucht wird.
Patrick Engel vom Kompetenzzentrum Vliesstoffe des Sächsischen Textilforschungsinstituts e.V. präsentierte im traditionellen „ITMA-Rückblick“ die Trends und Neuheiten rund um den Textilmaschinenbau im Bereich Textilrecycling und Vliesstoffproduktion, die auf der diesjährigen Messe ITMA in Mailand präsentiert wurden. Neben den Highlights (Intarema FibrePro: IV Technologie von EREMA, Micropunch-Nadeltechnologie der Dilo Group, Doppelkardieröffner von Dell`Orco & Villani, Zylindernadelmaschine PA.3000 von Andritz AG) wurden einige spannende Optimierungen und Modellpflegearbeiten hinsichtlich Faserschonung, Digitalisierung und Erhöhung des verarbeitbaren Reißfaseranteils präsentiert. Die neu geschlossenen Partnerschaften zur Brückenbildung zwischen Vliesstoffmaschinenbau und dem Recyclingmaschinenbau wurden erneut kommuniziert.
Im Vortrag von Johann Philipp Dilo von der Oskar Dilo Maschinenfabrik KG wurden anschließend Konzepte für Gesamtanlagen zur Erzeugung und Verarbeitung recycelter Materialien vorgestellt. Dilo als Spezialist zur Nadelvliesstoffproduktion ist mit der Handhabung von recycelten Bekleidungsabfällen zur Vliesbildung traditionell vertraut und liefert seit Jahrzehnten Anlagen zur Vliesbildung aus recycelten Fasern. Als Generalunternehmer integriert Dilo Ergänzungskomponenten von Partnerfirmen zur aerodynamischen Vliesbildung, Thermofusionierung, Imprägnierung und Trocknung sowie „End-of-Line“-Komponenten für Schneiden, Wickeln und Verpacken. Johann Philipp Dilo ging dabei auch auf die entsprechenden Anpassungen zur optimierten Reinigung des Materials sowie dem Erhalt des Wirkungsgrads unter veränderten Rohstoffeigenschaften ein.
Nach den eher auf den globalen Markt blickenden Maschinenbauvorträgen folgte der regionale Blick auf das Recycling als Chance für den Strukturwandel im sächsischen Erzgebirge. Die dortige Industrie ist aktuell geprägt von Zulieferern im Bereich der Metallbearbeitung, welche in den folgenden Jahren rückläufig sein wird. Ein Ansatz zur Transformation im Rahmen des Vorhabens SmartERZ ist die Ansiedlung von Know-how im Segment Smart Composites, welche durch das von Johannes Leis vorgestellte Projekt TRICYCLE auch im Recyclingbereich begleitet wird. Im Projekt werden Recyclingkonzepte für smarte Multimaterialverbunde entwickelt, welche schlussendlich in einem Konzept für ein Recycling Center für die über 200 Konsortialpartner münden sollen. Anspruchsvoll ist dabei insbesondere die Komplexität der Abfallströme als Mischung aus textilen Komponenten mit Kunststoffen und elektronischen Bauteilen. Geplant ist das Center dabei als eine Sammel-, Sortier- und Erstbehandlungsstelle, um die in der Region anfallenden Abfälle dem bestmöglichen rohstofflichen Recycling zugänglich zu machen.
Design für und Design mit Recycling
Dr. Ansgar Paschen präsentierte krankheitsbedingt per Video die Ergebnisse eines von der EU geförderten Projekts CISUFLO mit dem Ziel, einen systemischen Rahmen für kreislauffähige und nachhaltige Bodenbeläge zu schaffen. Das Vorhaben zeigt eine Vielzahl von Ansätzen zur Konstruktion praxisgerechter kreislauffähiger textiler Bodenbeläge auf. Die grundsätzliche Problematik textiler Bodenbeläge besteht in dem mehrschichtigen Aufbau aus verschiedenen Polymertypen. Es werden zwei Ansätze untersucht. Beim Monomaterialkonzept wird eine Lagenstruktur aus hauptsächlich einem Polymer entwickelt. Beim Trennschichtkonzept werden zwei aus unterschiedlichen Polymeren bestehende Lagen mit einem Klebstoff verbunden, der sich nach der Nutzungsdauer wieder lösen lässt.
Zum Abschluss der Veranstaltung gaben die beiden Designerinnen Kira Becker und Elisa Bannasch Einblicke in ihre Arbeit und Herangehensweisen aus den Bereichen Research Design und Textil-, Material Design. Dabei steht die kreative und experimentelle Recherche am Material sowie der Austausch mit Expertinnen und Experten aus verschiedenen Bereichen im Vordergrund. Beispielhaft wurden Arbeiten vorgestellt, die in Kooperation mit dem STFI in Chemnitz entstanden sind, und ein kurzer Abriss des Entwicklungsprozesses gegeben. Daran wird deutlich, wie Design als hilfreiches Tool für gesamtgesellschaftlich relevante Themen eingesetzt werden kann. Darüber hinaus wurden weitere studentische Beiträge vorgestellt, die sich ebenfalls mit den Themen Textilrecycling und Ressourcenschonung auseinandersetzen. Zum Abschluss zog Dr.-Ing. Yvette Dietzel, Forschungsleiterin des STFI, den inhaltlichen Rahmen um die beiden Tage des Kolloquiums und dankte explizit allen Referierenden für die außergewöhnlich gute Qualität der Vorträge. Glücklicherweise konnte sie auch schon einen Ausblick kommunizieren:
Das 17. Kolloquium „recycling for textiles“ findet am 3. und 4. Dezember 2025 in Chemnitz statt.
Wir danken allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern für eine erfolgreiche Veranstaltung!
Sie haben das 16. Kolloquium „re4tex“ verpasst? Gern können Sie die Tagungsunterlagen zur Veranstaltung anfragen unter: stfi@stfi.de