Neue Wege für die textile Fachkräftequalifizierung
Im Interview mit Nico Teutsch, Geschäftsführer der OTEX Textilveredlung GmbH
Der Fachkräftemangel erfordert neue Wege für Unternehmen. Bleibt die Suche nach qualifizierten Fachkräften ergebnislos, führt der Weg Unternehmen häufig zu Quereinsteigern. Gelingt die Anstellung, müssen diese in ihrem Arbeitsgebiet angelernt oder besser noch qualifiziert werden. Unternehmen stehen dabei vor verschiedenen Herausforderungen. Zum einen bringen Quereinsteiger unterschiedliche Vorkenntnisse mit, verfügen also über einen inhomogenen Wissensstand. Zum anderen bedeutet eine Zeit der Weiterbildung temporären Verzicht auf die Arbeitskraft (bei bleibender Entlohnung). Die Firma OTEX Textilveredlung, Flöha, und das STFI haben bei der Suche nach Lösungen vor einiger Zeit zusammengefunden. Nico Teutsch, Geschäftsführer der OTEX gibt im Interview Einblick in seine Erfahrungen zur Mitarbeiterqualifizierung. Am 23. August 2023 berichtet er darüber ausführlich zum ersten STFI-Akademie-Frühstück, bei dem sich Unternehmen der Textilbranche mit Ansprechpartnern der IHK und der Agentur für Arbeit über Chancen für hervorragend qualifizierten Fachkräfte von morgen auszutauschen.
Welche Erfahrungen haben Sie auf diesem Weg bisher gesammelt?
Leiharbeiter sind aufgrund langer und komplexer Einarbeitungen in unserem Gebiet kaum eine Alternative. Daher setzen wir bevorzugt auf Quereinsteiger. Der innerbetriebliche Onboarding- und Qualifizierungsprozess von Quereinsteigern auf die unterschiedlichen Stellenprofile ist seit mehreren Jahren praktizierte Strategie, um das Wachstum der Firma und damit die erforderliche Personalkapazität aufzubauen. Eine fundierte Basisqualifikation zu übergreifendem Fachwissen von Textiltechnologien kommt dabei teilweise zu kurz. Der Blick über den Tellerrand ist aber zur Personal- und Organisationsentwicklung erfolgsbestimmend – auch um Talente weiter zu fördern.
Welchen Weg haben sie aus diesen Erfahrungen heraus eingeschlagen?
Wir haben gelernt, Kompromisse einzugehen und umsetzbare Lösungen zu erarbeiten, um ein zusätzliches Qualifizierungsprogramm für Fachwissen zu ermöglichen. Eine starke Eigeninitiative von Unternehmen bei der Arbeitskräftegewinnung und deren Entwicklung zu Fachkräften hilft am besten.
Was hat Ihnen das für das Unternehmen gebracht?
Unser Betrieb muss nicht auf 100 % Arbeitskraft verzichten, unsere individuelle Lösung war ein Teilqualifizierungsprogramm, welches trotz Schichtsystem umgesetzt wurde. Dabei arbeiten die Kollegen sogar in unterschiedlichen Schichten. Natürlich war hier Flexibilisierung und Synchronisation erforderlich. Am Ende steht ein teilqualifizierter Abschluss, der auch die Weiterentwicklung der Talente im Unternehmen für anspruchsvollere Aufgaben, Projekte und Stellen entlang des Karrierepfads ermöglicht und beschleunigt. Zudem stärkt dieses Vorgehen die Loyalität und den Zusammenhalt zwischen Mitarbeiter und Arbeitgeber enorm – übrigens in beide Richtungen.
Welche Chancen bieten sich für Ihre Mitarbeiter?
Unsere Talente werden so gefördert, um interne Weiterentwicklung zu ermöglichen – unabhängig davon, welche Erstqualifizierungen sie mitbringen, die häufiger branchenfremd ist. Die Teilqualifizierung ist eine gute Kompromisslösung, denn es entsteht ein Win-Win für alle Seiten: Vergütung für Mitarbeiter trotz Weiterbildung und eine 100-prozentige Förderung der Ausbildung und des Ausfalls sind zudem möglich.
Was würden Sie anderen Unternehmen empfehlen?
Identifiziert Potenzial- und Leistungsträger in euren Unternehmen. Ermöglicht die Qualifizierung im geeigneten Rahmen. Stimmt im Vorfeld ganz konkret die gegenseitigen Zielstellungen und Erwartungen ab. Zudem lohnt es die berufliche Erstausbildung zur Chefsache zu machen – vom Feedbackgespräch der Ferienschüler bis zur Vermittlung der Unternehmenswerte sowie die aktive Integration in die Firmenkultur. Der Schlüssel ist es, Identifikation mit dem Unternehmen zu erzeugen – nicht nur für Quereinsteiger – für alle.